vorvertragliche Anzeigepflicht
Eine Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht kann auch Betrug sein

Versicherungsnehmer gehen davon aus, dass im Versicherungsfall die zustehenden Leistungen erbracht werden. Wie jedoch werden die Fälle beurteilt, in denen das Versicherungsunternehmen die Leistungen nicht im vollen Umfang erbringt, da er sich darauf beruft, der Versicherungsnehmer habe vorvertragliche Anzeigepflichten verletzt? Alles zum Thema “Vorvertragliche Anzeigepflicht” bei Versicherungsverträgen wird im folgenden Beitrag erläutert.

Im folgenden Beitrag finden Sie:

  • Umfang Anzeigepflicht
  • Dauer Anzeigepflicht
  • Rechtsfolgen einer vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung
  • Rücktrittsrecht des Versicherungsunternehmens bei einer vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung
  • Anfechtung aufgrund einer arglistigen Täuschung
  • Kündigung wegen einer vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung
  • Belehrungspflicht des Versicherungsunternehmens
  • Fristen

Umfang Anzeigepflicht

Der Versicherungsnehmer ist bis zur Abgabe der so genannten Vertragserklärung nach § 19 Abs. 1 im VVG dazu verpflichtet, dass die Gefahrumstände, die ihm bekannt sind, dem Versicherungsunternehmen angezeigt werden. Dies gilt für die Umstände, die für den Entschluss entscheidend sind, den Versicherungsvertrag mit dem vereinbarten Vertragsinhalt schließen zu wollen.

Ein Beispiel hierfür:

Bei einem geplanten Abschluss einer Unfallversicherung wird das Versicherungsunternehmen zur Einschätzung des Risikos danach fragen, ob der Versicherungsnehmer in der Freizeit eine Risikosportart wie Klettern, Skifahren etc. betreibt. Diese vorvertragliche Anzeigepflicht besteht allerdings nur, wenn das Versicherungsunternehmen danach auch gefragt hat. Das Risiko einer falschen Einschätzung aufgrund von unvollständigen Fragen trägt der Versicherer. Gemäß § 32 VVG darf von dieser Regelung nicht zum Nachteil des Versicherten abgewichen werden.

Es gibt eine Besonderheit beim Abschluss des Vertrags mit dem Versicherungsvertreter. Mit der Empfangsvollmacht des Versicherungsunternehmens wird tätig, laut § 69 Abs.1 Nr.1 im VVG. Daher ist der Versicherer verpflichtet, sich die Kenntnis des Versicherungsvertreters zurechnen zu lassen. Wenn der Vertreter vom Versicherten anzeigerelevante Informationen mitgeteilt bekommt, muss sich das Versicherungsunternehmen dieses Wissen anzeigen lassen.

Der Versicherer muss die Antragsfragen in Textform vorlegen. Die Fragen mündlich zu erörtern und der Vertreter gibt sie in einen Computer ein, genügt nicht. Des Weiteren muss der Versicherte die Angaben selbständig überprüfen können und die Daten müssen vollständig ausgedruckt werden.

Der Versicherungsnehmer hat die vorvertragliche Anzeigepflicht erfüllt, wenn er die Frage, die in Textform gestellt wurde, wahrheitsgemäß und vollständig beantwortet hat. Er muss also nicht unsicher sein, dass er eventuell etwas nicht angegeben hat, was für den Vertragsabschluss relevant sein könnte.

Dauer Anzeigepflicht

Bis zur Abgabe der Vertragserklärung muss der Versicherungsnehmer die vorvertragliche Anzeigepflicht erfüllen. Hierbei gilt es, nach den Vertragsschlussmodellen zu unterscheiden, denn die Vertragserklärungen fallen regelmäßig zeitlich auseinander. Beim Antragsmodell wird vom Versicherten gleichzeitig mit der Antragstellung auch seine Vertragserklärung abgegeben. Bis zu diesem Zeitpunkt sind die Gefahrumstände anzuzeigen. Wenn nach dem Invitiatiomodell verfahren wird, besteht die vorvertragliche Anzeigepflicht solange, bis der Versicherungsvertrag durch eine ausdrückliche oder stillschweigende Erklärung zustande kommt. Je nach Ablauf kann dies viel länger sein, als es beim Vertrag nach dem Antragsmodell der Fall ist. Die Anzeigepflicht kann ausnahmsweise auch noch nach der Abgabe der Vertragserklärung fortbestehen, allerdings nur, wenn das Versicherungsunternehmen in der Textform erneut nachfragt.

Verletzung vorvertragliche Anzeigepflicht – Rechtsfolgen

Wenn ein Versicherter einen gefahrerheblichen Umstand falsch oder gar nicht angezeigt hat, können sich für das Versicherungsunternehmen Anfechtungs-, Rücktritts-, Vertragsanpassungs- oder Kündigungsmöglichkeiten ergeben. Welches Recht im individuellen Fall besteht, hängt davon ab, ob der Versicherte vorsätzlich, fahrlässig, arglistig oder schuldlos gehandelt hat. Zudem müssen formale Voraussetzungen in Bezug auf Belehrung und Fristwahrung erfüllt worden sein.

Vorvertragliche Anzeigepflicht – Rücktrittsrecht des Versicherers bei einer Verletzung

Wenn der Versicherungsnehmer seine Anzeigepflicht kennt und diese bewusst und vorsätzlich verletzt oder grob fahrlässig handelt, indem nahe liegende Überlegungen nicht angestrebt hat, kann das Versicherungsunternehmen laut § 19 Abs. 2 im VVG vom Vertrag zurücktreten. In diesen Fällen besteht jedoch nach § 19 Abs. 4 im VVG unter gegebenen Umständen die Möglichkeit, dass ein Vertrag angepasst wird. Hierbei wird geprüft, ob das Versicherungsunternehmen auch einen Vertrag geschlossen hätte, wenn die Umstände bekannt gewesen wären. Das Vertragsverhältnis könnte dementsprechend dann zu veränderten Bedingungen in der Hinsicht auf den Leistungsumfang oder die Prämie fortgeführt werden.

Leistungspflicht des Versicherers trotz Rücktritt

Im Falle eines Rücktritts nach eingetretenem Versicherungsfall ist das Versicherungsunternehmen nicht zur Leistung verpflichtet. Allerdings ist es möglich, dass der Versicherungsfall eintritt, noch bevor das Versicherungsunternehmen seinen Rücktritt erklärt hat. In diesem Fall besteht eine Leistungspflicht des Versicherers, wenn die vorvertragliche Anzeigepflicht aus einem Grund verletzt wurde, der für die Feststellung oder den Eintritt des Versicherungsfalles oder auch für den Umfang oder die Feststellung der Leistungspflicht des Versicherungsunternehmens ursächlich ist, laut § 21 Abs. 2 VVG.

Ein Beispiel hierfür:

Ein Versicherungsnehmer meldet nach einem Einbruch den Schaden der Versicherung. In diesem Moment kommt heraus, dass sie bei Vertragsabschluss eine Hausratversicherung, die mittlerweile gekündigt wurde, nicht angegeben hat. Jedoch hat dies für die Leistungspflicht des Versicherers oder die Beurteilung des Unfalls keine ursächliche Auswirkung. Wenn der Versicherer aufgrund einer Verletzung der Anzeigepflicht vom Rücktrittsrecht Gebrauch macht, dann steht ihm der Beitrag noch solange zu, bis die Rücktrittserklärung wirksam wird. Dies ist laut § 39 Abs. 1 im VVG geregelt.

Vorvertragliche Anzeigepflicht – Anfechtung aufgrund einer arglistigen Täuschung

Der Versicherer hat laut § 22 VVG das Recht einer Anfechtung bei einer arglistigen Täuschung. Dabei richtet sich die Anfechtung nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches. Von einem arglistigen Verhalten wird gesprochen, wenn der Versicherte geplant und bewusst unrichtige Angaben gemacht hat, um die Entscheidung des Versicherers zu beeinflussen. Dies bedeutet, dass der Versicherungsnehmer davon ausgeht, dass der Abschluss nicht zustande gekommen wäre, hätte der Versicherer die Wahrheit gewusst.

Ein Beispiel:

Ein Versicherungsnehmer verneint bei einem Abschluss einer Risikolebensversicherung die Frage, ob er raucht, um in einen günstigeren Nichtrauchertarif eingestuft zu werden. Tatsächlich raucht er allerdings regelmäßig Zigaretten. Wenn der Versicherte die Anzeigepflicht arglistig verletzt hat, ist das Versicherungsunternehmen gemäß § 21 Abs. 2 im VVG nicht zur Leistung verpflichtet. Jedoch muss die Anfechtung innerhalb von zwölf Monaten seit der Kenntnis von der Täuschungshandlung des Versicherten erklärt werden.

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Vorvertragliche Anzeigepflicht – Kündigung wegen vorvertraglicher Verletzung

Verletzt der Versicherungsnehmer die Anzeigepflicht lediglich leicht fahrlässig oder der Versicherte hat gar keine Schuld, dann kann das Versicherungsunternehmen den Vertrag gemäß § 19 Abs. 3 im VVG kündigen, es muss allerdings eine Frist von einem Monat eingehalten werden.

Ein Beispiel für eine leichte Fahrlässigkeit

Der Versicherungsnehmer verneint bei einem Antrag einer Lebensversicherung die Frage, ob er in den letzten 5 Jahren aufgrund von Beschwerden bei einem Arzt gewesen sei. Der letzte Arztbesuch war tatsächlich erst 4 Jahre her. Dies hätte er an seinen eigenen Unterlagen erkennen können. Somit hat er seine vorvertragliche Anzeigepflicht verletzt. Allerdings ist die Kündigung gemäß § 19 Abs. 4 im VVG ausgeschlossen, wenn das Versicherungsunternehmen den Vertrag nicht geschlossen hätte, wenn ihm der nicht angezeigte Umstand bewusst gewesen wäre. Jedoch liegt die Beweis- und Darlegungslast beim Versicherungsnehmer. Oftmals ist dieser Nachweis schwierig zu führen.

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Belehrungspflicht des Versicherungsunternehmens

Der Versicherer ist dazu verpflichtet, dass er über das Rücktritts- und Kündigungsrecht, das ihm zusteht, wenn eine vorvertragliche Anzeigepflicht auftritt, durch eine gesonderte Mitteilung in Textform hinweist. Dies ist gemäß § 19 Abs. 5 im VVG geregelt. Die Belehrung muss rechtzeitig vor dem Vertragsabschluss erfolgen, damit der Versicherte die Anzeigepflicht noch erfüllen kann.

Fristen

Das Versicherungsunternehmen muss vom zustehenden Rücktritts- oder Kündigungsrecht innerhalb von einem Monat Gebrauch machen, wenn die vorvertragliche Anzeigepflicht verletzt wurde. Dabei müssen auch die Umstände angegeben werden, welche zur Geltendmachung führen. Fünf Jahre nach dem Vertragsschluss erlöschen laut § 21 Abs. 3 im VVG die Rechte des Versicherers, was allerdings nicht für Versicherungsfälle gilt, die vor dem Ablauf der Frist eingetreten sind. Ist die Anzeigepflichtverletzung durch den Versicherungsnehmer vorsätzlich oder arglistig erfolgt, verlängert sich diese Frist auf zehn Jahre.

Wichtiger Hinweis bei Berufsunfähigkeitsversicherungen

Nicht jeder BU-Versicherer verzichtet auf die Frist von 10 Jahren wie z.B. die Condor im Tarif 809/810 aus dem Jahr 2012 (Download Auszug aus den Bedingungen als PDF: Auszug Tariftext ). Dort kann eine versicherte Person, welche bei Antragsstellung falsche Angaben zum Gesundheitszustand gemacht hat und damit eine vorvertragliche Anzeigepflichtverletzung begangen hat, auch noch 15 oder 20 Jahre später nach Vertragsabschluss gekündigt werden! Prüfen Sie also vor Vertragsabschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung auch dieses Kriterium in den Versicherungsbedingungen, insofern Ihnen das wichtig ist. Ich kann Ihnen dabei nur die Empfehlung geben, sagen Sie immer die Wahrheit und beantworten alle Fragen so genau wie möglich, damit es im Leistungsfall (=bei Eintritt der Berufsunfähigkeit) zu keinen bösen Überraschungen kommt. Dazu muss man aber noch erwähnen, dass im BGB unter §124 geregelt ist, dass die Anfechtung dann ausgeschlossen ist, wenn seit Abgabe der Willenserklärung 10 Jahre vergangen sind. Unter diesem Aspekt hätte die Condor dann keine Möglichkeit den Vertrag nach 10 Jahren zu kündigen, wenn eine vorvertragliche Anzeigpflichtverletzung vorliegt aufgrund von falschen Angaben im Antrag.

Rückfragen zur vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung

Wenn Sie dazu weitere Fragen, so senden Sie mir bitte eine E-Mail zu ([email protected]) oder nutzen mein Kontaktformular.

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