Strategien zur Altersvorsorge blind von anderen zu übernehmen, sollte nicht die Regel werden, sondern deutlich kritischer betrachtet werden.
Mit Blick auf die sog. Exchange traded funds, kurz ETFs, und ihrer Entwicklung in den letzten Jahren, ist es nicht verfehlt, von einem Trend oder Hype zu sprechen.
Wer sich im Internet nach klugen und anfängerfreundlichen Anlagestrategien erkundigt, stößt eher früher als später auf ETF-Sparpläne. Diese werden häufig als “One fits all”-Lösung gehandelt und erfreuen sich großer Beliebtheit. Denn: Sie sind meist günstig, ihre Handhabe unkompliziert und sie bieten hohe Renditemöglichkeiten.
Häufig, vor allem in den sozialen Medien, wird propagiert, dass der “klassische” Finanzberater nun vollends durch das Erstellen eines ETF-Sparplans abgelöst sei.
Doch ein Blick in die Realität verrät: Nicht jeder Mensch ist – berechtigterweise – ein Finanzprofi. Und nicht jeder Mensch steckt Stunden seiner Zeit in die Recherche des ETF-Konzepts und in das “austüfteln” eines breit gestreuten, risikoarmen Sparplans. Der Gedanke “ETF bedeutet kostengünstige und gelingsichere Altersvorsorge” wird also oftmals nicht konsequent zu Ende gedacht.
Ein differenziertes und fachkundiges Auseinandersetzen mit der Anlagestrategie findet häufig nicht statt – das Anschauen eines zehnminütigen YouTube Videos scheint einigen Anlegern zu genügen.
Besonders wenn es um die Frage der Altersvorsorge geht, spielen ETF-Sparpläne – als angeblich perfekte Art der Vorsorge – eine wichtige Rolle. In diesem Zuge wird folgende Frage häufig gestellt: Ist ein reiner ETF-Sparplan oder doch eine private, fondsgebundene Rentenversicherung (welche auch in ETFs investiert) die richtige Lösung?
Während in diesem Beitrag kein “Duell der Zahlen” angestrebt wird, soll viel eher die Realität für sich sprechen.
Ein Beispiel: Eine Person Mitte zwanzig bespart monatlich einen breit gestreuten ETF-Sparplan über einen Onlinebroker. Rechnet man mit einer durchschnittlichen jährlichen Rendite von fünf Prozent, sammelt sich über die Jahre ein solider, wenn nicht sogar sehr guter Betrag an. Die Person geht beispielsweise mit 67 Jahren in Rente und möchte ihren Lebensunterhalt nun aus dem angesparten Geld bestreiten.
Der Plan lautet also, aus dem vorhandenen Kapital monatlich oder jährlich einen Betrag zu entnehmen, durch den die Fixkosten gedeckt werden können. Im Idealfall bleibt monatlich genug Geld übrig, um einen weitestgehend sorgenfreien Alltag haben zu können.
Dies wird gängigerweise über Entnahmepläne geregelt: Hierfür gibt es verschiedene Strategien, wie den Entnahmeplan ohne Kapitalverzehr oder einen Entnahmeplan mit Kapitalverzehr. Eine kurze Erklärung: Beim erstgenannten Entnahmeplan werden die alltäglichen Kosten von den (hoffentlich) weiterhin erwirtschafteten Erträgen des investierten Kapitals gedeckt, bei der zweiten Variante wird neben den Erträgen auch ein gewisser Teil des vorhandenen Kapitals ausgezahlt.
Es geht an dieser Stelle nicht darum, die richtige Entnahmestrategie zu wählen, sondern vielmehr um das Stellen der richtigen Fragen seitens des Anlegers.
Eine unbekannte Gleichung
Um eine realistische Einschätzung zum Thema dieses Beitrags geben zu können, werden wir in den folgenden Zeilen einen Blick in ein “typisches” Beratungsgespräch werfen.
Anders als vielleicht vermutet, werden weder wir noch andere seriöse Finanzberater den ETF-Sparplan schlecht reden und kategorisch verneinen. Was wir jedoch tun werden, ist Fragen zu stellen. Denn nur, wenn wir die individuellen Umstände derjenigen, die wir beraten, kennen, können wir auch eine maßgeschneiderte Lösung erarbeiten.
Eine solche Frage kann etwa die Bitte sein, gedanklich ein paar Jahre bzw. Jahrzehnte in die Zukunft zu springen – wenn die Rente vor der Tür steht. Ein mögliches Szenario kann dann wie folgt aussehen: Der Kunde ist – jedenfalls gedanklich – in Rente und möchte nun (wie bereits im oben genannten Beispiel) von seinem angesparten Kapital leben und entscheidet sich für eine Entnahmestrategie ohne Kapitalverzehr. Der Kunde hat sich vorher bereits alles durchgerechnet und die jährliche Rendite reicht, um alle wiederkehrenden Kosten zu decken. Doch dann der Schock: Ein Jahr wie 2020, 2021 oder auch 2022 kommt: Die Inflation steigt, die Aktienmärkte erleben einen Crash und die Lebenshaltungskosten steigen um ein Vielfaches an.
Die Konsequenz: Die aus dem angelegten Kapital erwirtschafteten Erträge reichen nicht mehr zur Deckung des finanziellen Bedarfs aus, es bleibt fraglich, ob es in diesem Jahr in der Zukunft überhaupt noch Rendite geben wird. Nehmen wir an, das investierte Kapital sinkt um gute 10 Prozent. Um nun weiterhin finanziell durchhalten und die laufenden Kosten decken zu können, muss die Entnahmestrategie geändert und Kapital aus dem Vermögen genommen werden. Die zukünftigen Erträge, mit denen der Anleger fest gerechnet hat, werden durch das Reduzieren des investierten Vermögens entsprechend niedriger. Also müssen die eigenen Ausgaben reduziert werden – soweit dies überhaupt möglich ist.
Neben den rein tatsächlichen Auswirkungen hinterlassen solche Phasen auch psychisch ihre Spuren bei den Anlegern. Denn nun gibt es keine lange Ansparphase mehr, in der Schwankungen des Marktes inklusive möglicher Verluste gut ausgeglichen werden können.
Ein solches Gedankenspiel lässt sich weiterspinnen und um weitere Szenarien (Stichwort Berufsunfähigkeit) ergänzen. Doch der Grundgedanke bleibt derselbe: Es gibt (zu) viele unbekannte Variablen, damit die Gleichung sicher aufgeht.
Und genau hierfür sind Beratungsgespräche unter anderem gut: Dem Kunden muss die faire Möglichkeit geboten werden, weiterzudenken und einen “Realitäts-Check” mit kompetenter Unterstützung durchzuführen. Viele haben nämlich das Konstrukt “ETF-Sparplan als alleinige Altersvorsorge” nicht konsequent zu Ende gedacht und erkennen nun die verschiedenen Varianten, in denen eine (erhebliche) Ungewissheit nicht ausbleibt. Risiken bestehen – überall. Aber: Sie sind “behandelbar” und man kann ihnen mit den richtigen Handgriffen gut entgegentreten.
Vorausschauend anlegen
Sie merken also, dass es Entscheidungen braucht, die mit Weitsicht und Blick auf übermorgen getroffen werden. Es müssen die unbequemen Fragen und Vorstellungen diskutiert und Risiken transparent gemacht werden.
Wir betonen an dieser Stelle erneut, dass es keinen Grund gibt, ETF-Sparpläne per se zu verteufeln. ETF-Sparpläne sind sinnvoll und nützlich, insbesondere mit Blick auf den mittelfristigen Vermögensaufbau – aber sie sind eben auch kein Wundermittel, auf das sich einzig und allein im Alter verlassen werden sollte. Für sichere, lebenslange und planbare finanzielle Versorgung im Alter sollte wahrlich nicht allein auf einen ETF-Sparplan gesetzt werden, egal wie breit dieser gestreut ist.
Doch wie sieht nun die Lösung, von der wir eingangs gesprochen haben, aus?
Wer eine lebenslange Rente, ein automatisiertes Ablaufmanagement und hohe Renditemöglichkeiten will, sollte sich die fondsgebundene Rentenversicherung genauer anschauen. Eine Kombination aus dieser und ETF-Sparplänen umfasst die Vorteile beider und minimiert wiederum die Risiken dieser um ein Vielfaches.
Die fondsgebundene Rentenversicherung, die auch in ETFs investiert, passt zu dem Anlageverhalten und der Risikoaffinität vieler Kunden und geht mit ihren Rentenzielen Hand in Hand.
Argumente, dass (etwa aus steuerlichen Gründen) das angesparte Kapital irgendwann vielleicht um 1000 Euro niedriger oder höher ist als bei einem reinen ETF-Sparplan, sind unserer Meinung nach dahingehend irrelevant, als dass es um so viel mehr als nur den reinen Betrag geht. Die Anlagestrategie muss zum Anleger passen – zu seinen Vorstellungen vom Ruhestand und zu seinen Fähigkeiten und Möglichkeiten.
Dies ist so individuell, dass es vermessen wäre, hier ein pauschales “X ist zwingend besser als Y” zu nennen.
Sich Anlagestrategien, vor allem für die Altersvorsorge, von Dritten „abzuschauen“ und diese ohne eigene Reflexion zu imitieren, ist jedoch definitiv der falsche Weg.
Wir appellieren an dieser Stelle daher an jeden Leser und jede Leserin, die Altersvorsorge selbst in die Hand zu nehmen und sich von einem kompetenten Partner unterstützen zu lassen.